Digitalisierung als „game changer“? Ihr Einfluss auf den Kampf um die globalen Ökosysteme

Ibisch, Pierre L. | JAHRBUCH ÖKOLOGIE 2019/2020 ➤ Bestellen

Der Fortschritt der digital ermächtigten ökologischen Wissenschaft, Datenverarbeitung sowie Kommunikation ist messbar – zumindest in Tera- und Petabytes, im Sinne des Datenumsatzes. Aber materialisiert sich die Vermessung des globalen Ökosystems und seiner Probleme auch in Form von wirksamen Lösungen? Ist die Digitalisierung der ökologische „game changer“, der uns von Nichtwissen zum Wissen und letztlich vor allem zum Handeln für eine wahrhaftig ökologische Nachhaltigkeit bringt? Oder treibt sie uns immer schärfer sehend in Verwirrung und Ersatzhandlungen?

In der Vergangenheit führte die Vermessung der Welt zu auf Papier festgehaltenen Beschreibungen, Datentabellen, Zeichnungen und gemalten Karten. Die Digitalisierung von ökologisch relevanten und häufig auch räumlich expliziten Daten sowie die Einführung von elektronischen Datenbanken und die computergestützte Modellierung bedeuteten einen Quantensprung für die wissenschaftliche Erkenntnis. Vor allem wurden Aufnahme, Dokumentation, Austausch und Verarbeitung von Daten revolutioniert. Die Digitalisierung und die Entwicklung des Internets sind Haupttreiber einer hyperexponentiellen Explosion von verfügbaren Daten, Information und Wissen.

Die Digitalisierung hat in einzigartiger Weise Beschleunigung und Globalisierung der Wissenschaft befördert – gerade auch im ökologischen Bereich – und sie ist zunehmend verantwortlich für die Popularisierung und Demokratisierung von Daten- und Informationsquellen, die gerade noch allenfalls spezialisierten Wissenschaftseliten vorbehalten waren. Dazu gehören v. a. auch die Daten der satellitenbasierten Erdbeobachtung. Nunmehr können selbst Nichtakademiker*innen zu citizen scientists werden, die webbasierte, rasant wachsende interaktive Datensätze z. B. zu Aufenthaltsorten von Arten füttern, aber auch intuitiv einfache Analysen und Abfragen zum Zustand von Ökosystemen durchführen, in eigene Präsentationen und Internetauftritte einbetten und im Handumdrehen zum gut informierten Umweltjournalisten werden. Während es vor 30 Jahren noch üblich war, Fachliteratur manuell in Bibliothekskatalogen zu suchen, um sie dann per Fernleihe zu bestellen und nach Wochen eine schlechte Schwarzweißkopie zu erhalten, gibt es heute einen Mausklick-Zugang zu einer derartigen Fülle von Online-Veröffentlichungen, dass mehrere Leben nicht ausreichten, um alle Veröffentlichungen einzelner Disziplinen wie etwa Biologie oder Ökologie lesen zu können. Gleichzeitig gibt es noch kürzlich unvermutbare Möglichkeiten, mit wissenschaftlichen Inhalten über Wissensplattformen und soziale Medien ein Weltpublikum zu erreichen. Spezialplattformen wie ResearchGate gewährleisten eine immer effektivere Vernetzung von Wissenschaftler*innen und die Ausbildung bzw. Verstärkung von Communitys, die sich um die Lösung bestimmter Fragen bemühen …