Kategorien-Archiv Jahrbuch Ökologie 2022

Im letzten Teil des Buches folgen 30 Berichte über die praktische Klima- und Umweltpolitik in Städten, Beispiele vor allem aus Deutschland, aber auch aus Europa und der Welt. Die Autoren sind in der Regel Verantwortliche aus den jeweiligen Städten. Wir sagen allen, die dazu beigetragen haben, herzlichen Dank. Das gilt besonders für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Friedrich-Ebert-Stiftung mit ihren örtlichen Büros in den unterschiedlichen Weltregionen.

Nachhaltige Vergabe ist ein Versuch, durch eine bewusste Nachfrage Produktion und Dienstleistungen zu lenken. Im Gegensatz zum privaten Einkauf, der häufig spontan erfolgt, ist der Konsum der öffentlichen Hand durch Gesetze geregelt, die ihrerseits internationale Vorgaben un d Verträge beachten müssen. Die Frage ist: Erleichtert die Modernisierung des Vergaberechts den Weg zu mehr Nachhaltigkeit? Wie weit werden die gesetzlichen Möglichkeiten ausgenutzt, was ist überhaupt das Potenzial einer nachhaltigen Vergabe, die in den Städten ansetzt und eine bewusste Öffentlichkeit braucht.

Das Fahrrad hat im letzten Jahrhundert ein Auf und Ab mitgemacht. Nachdem es in der ersten Hälfte aus sozialen Gründen als Verkehrsmittel nahezu konkurrenzlos war, begann mit der autogerechten Stadt in den 1960er Jahren ein Niedergang. In der heutigen Zeit gewinnt das Fahrrad mit neuen, vor allem ökologischen Begründungen eine neue und hohe Bedeutung. Das Fahrrad entwickelt sich vor allem in den Städten zu einem entscheidenden Verkehrsmittel, gefördert von technischen Innovationen, Verbesserungen der Infrastruktur und besserer Sicherheit. Aber es bleibt noch viel zu tun.

Angesichts krisenhafter Trends und der Forderungen für eine Gestaltung der Trans- formation zu einer nachhaltigen Entwicklung und soziokulturellen Veränderungen nehmen vielfältige Formen von Gemeinschaftsbildungen zu. Eine verbreitete Form sind Ecovillages, die besonders intensiv um nachhaltige Lebensweise bemüht sind. Im Zuge dynamischer Urbanisierung spricht Einiges dafür, dass EcoCityVillages für die Transformation eine positive Rolle spielen könnten und entsprechend beachtet, weiterentwickelt und unterstützt werden sollten.

Als Antwort auf die erfolglose Klimapolitik von Nationalstaaten schlagen einige zivilgesellschaftliche Akteure und Akteurinnen eine starke kommunale Klimapolitik vor. Immer mehr Städte legen Klimapläne vor. Aber wenn sich 193 Nationalstaaten nicht auf wirksamen Klimaschutz einigen können, warum dann hunderttausende Städte weltweit? Stattdessen ist ein geeignetes Wechselspiel zwischen Staaten und Städten notwendig. In diesem Spiel können transnationale Städtenetzwerke eine Schlüsselrolle einnehmen.

Ökologisches Denken und ökologisch motivierte Vorschlage für den Umbau der Infrastrukturen haben sich seit einem halben Jahrhundert auf Innovation konzentriert. Aber jetzt geht es um mehr. Umweltgrenzen sind ernst zu nehmen, auch wenn der Bruch mit technischen Kontinuitäten und liebgewordenen Gewohnheiten droht. Mehr noch: Die heutige Aufgabe, Wirtschaft und Gesellschaft klimaverträglich umzubauen, dass ist die große Aufgabe, die vor allem mehr Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger bei der Umgestaltung der Infrastruktur verlangt.

Nach dem einschneidenden Verfassungsgerichtsurteil zu den unzureichend konkretisierten Klimazielen 2050 der Bundesregierung brauchen wir ein Umdenken und disruptive Denkanstöße, wie die Gestaltung der Transformation zu einer nachhaltigen und sozial-ökologischen Stadtentwicklung beschleunigt werden kann. Um dem festgestellten Handlungsdruck Rechnung zu tragen, ist eine konzertierte Aktion aller an der Stadtentwicklung Beteiligter unabdingbar: regulative Maßnahmen sollten künftig verstärkt aus ganzheitlichen Stadtentwicklungs- und Infrastrukturkonzepten heraus gedacht werden, deren rechtliche, finanzielle, organisatorische und prozessuale Rahmenbedingungen den Akteurs-Netzwerken ausreichend Handlungsspielraum lassen, um neue Perspektiven und Narrative für die Zukunftsstadt zu ent- wickeln und auch vor Ort umzusetzen.

Die zentrale Herausforderung an den Menschen ist es, im Anthropozän ein gerechtes Leben zu organisieren, das die Lebensbedingungen der menschlichen Zivilisation auf Dauer sichert. Dafür müssen im ersten Schritt die 30 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen umgesetzt werden. Ein Schlüssel ist dabei die Gestaltung und Nutzung der Digitalisierung. Die zentralen Aufgaben der ökologischen Modernisierung wie die Energie- und Verkehrswende brauchen eine digitale Souveränität. Die Daseinsvorsorge für eine nachhaltige Zukunft der Gesellschaft ist eine Gemeinwohlverpflichtung und nicht nur als eine technische Aufgabe zu sehen.

Dies ist ein Plädoyer für eine Schubumkehr. Deren Ziel ist es, den gegenwärtigen Trend einer innerstaatlichen Zentralisierung von Entscheidungsmacht abzubremsen und eine nachhaltige Richtungsänderung für mehr lokale und regionale Kreativität einzuschlagen, um notwendige Innovationen zu ermöglichen. Der Neoliberalismus der letzten Jahrzehnte hat sich auch in den Städten verheerend ausgewirkt. Durch die Entfesselung ihrer kreativen Potenziale kann die Stadt wieder Avantgarde werden.

Was ist unter den Bedingungen, in denen wir heute leben und arbeiten, das richtige Bauen? Und vor allem: Wie gelingt es uns, im Einklang mit den Ressourcen dieser Welt zu bauen? Wir wissen, dass wir zu viel verbrauchen – global betrachtet 170 Prozent der Ressourcen unserer Erde. Der Welterschöpfungstag wurde in diesem Jahr bereits am 29. Juli erreicht. Das bedeutet, dass unser ökologischer Fußabdruck die Biokapazität der Erde, also die Kapazität unserer Ökosysteme, notwendige biologische Materialien zu produzieren und durch die Menschen erzeugte Abfallstoffe zu absorbieren, um das 1,7-Fache übersteigt. Auf Deutschland und unseren hohen Lebensstandard bezogen, benötigen wir gegenwärtig sogar das 2,7-Fache unseres Planeten. Das Bauwesen steht dabei für etwa 60 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs. Das hat keine Zukunft, so haben unsere Städte keine Zukunft. Angesichts dieser Zahlen und einer weiterhin wachsenden Weltbevölkerung: wenn nicht der radikale Verzicht – was sind unsere Alternativen?